Reflexionen zu Gesundheit
Anteilnahme und Einfühlungsvermögen sind ganz wörtlich zu nehmen:
Sie beschreiben den Anteil an Welt, den wir in uns drin wahrnehmen.
Unser Gefühl für die Aussenwelt zeigt sich im Gefühl für uns selbst. Wo wir uns fühlen, können wir Andere fühlen. Unser Mitgefühl für die Welt zeigt sich in dem Ausmass, in dem wir die äussere Welt verinnerlicht haben.
Unsere Fähigkeit zum Mitgefühl entspricht der Welt, die wir in uns tragen, und in uns fühlen.
Je mehr Welt wir geworden sind, desto mehr Welt können wir fühlen.
Da wo wir uns fühlen - da fühlen wir die Welt. Wir sind eine Art Resonanzkörper, Klangkörper. Je mehr Klang wir in uns erleben und erzeugen, desto voller erleben wir die Klänge und emotionalen Schwingungen eines anderen Menschen - in uns drin. Alles Erleben findet in uns statt. Wo wir nicht mitschwingen können, haben wir noch kein Bewusstsein aufgefächert. Da sind unsere Saiten noch verklebt, nicht frei. Und was wir nicht (mit-)fühlen können, haben wir noch nicht integriert.
Mit dem Prozess des Welt-Anverwandelns schaffen wir neben dem Mitgefühl auch Freiheit. Was wir in uns aufnehmen, das befreien wir in die Selbstständigkeit unseres Gegenübers zurück. In seine Eigen-Befähigung.
Je mehr Anteile wir in uns wahrnehmen und fühlen, desto befreiter und fähiger (selbstermächtigter) kann sich unser Gegenüber fühlen, weil wir ihn nicht mit unseren nicht integrierten Anteilen belasten, besetzen und in unsere Welt einnehmen. Wir lassen ihn in seiner eigenen Welt, in seiner eigenen Welt-Erfahrung.
Je mehr wir die Aussenwelt von unseren Anteilen befreien, und diese stattdessen in uns fühlen, desto unbelasteter kann unser Gegenüber aus sich heraus in seine eigene wachsende Stabilität gelangen, und damit selbst mehr Welt aneignen. Wir unterstützen uns gegenseitig, immer mehr Welt zu werden. Lebendigkeit zu werden. Und uns aus unseren inneren Welten heraus jeweils selbst zu nähren.
Da wo wir uns fühlen - da können wir die Welt fühlen. Hier liegt Intimität.
Je näher wir in Fühlung mit dem Leben kommen - desto intimer wird das Empfinden. Leben erleben ist das vielleicht Intimste. Weil wir ganz auf Tuchfühlung mit uns selbst/dem Leben/dem Unaussprechlichen selbst kommen.
Das Leben wird wieder Leben. Und die Welt wird wieder Welt. Mit jeder Integration ein Stück mehr.
Intimität taucht da auf, wo sich die Welt als Welt erfährt. Oder das Leben als Leben sich selbst erlebt, in all seinen Facetten, die wieder zusammengefunden haben.
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Lebendigkeit, Kreativität und Liebe sind eine Frage der Sicherheit
Je mehr Sicherheit ich erlebe, desto freier kann ich leben, kreieren und lieben.
Das Fundament des Coachings ist Ihr Sicherheitsempfinden.
Heilung beginnt mit Stabilität, Vertrauen und Sicherheit.
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Sicherheit ist für mich das Fundament des Coachings und des Heilungsprozesses
Sicherheit ist der Boden der Freiheit.
Auf welchem ein gesundes Ich heranwachsen kann.
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Geistesgegenwart und Mitgefühl
Seelische, Geistige, und Körperliche Sicherheit sind der tragende und nährende Boden einer gesunden Entwicklung
Idealerweise erfahren wir als Kind seelische Sicherheit
wenn wir erleben, dass alles, was wir fühlen, willkommen ist und auf
ein offenes Herz trifft, das uns fühlen kann.
Und geistige Sicherheit, wenn wir erleben, dass Menschen
freien Geistes genug sind, um sich unseren Gedanken zu widmen.
Und körperliche Sicherheit, wenn wir erfahren, dass die Grenzen und Bedürfnisse unseres Körpers wahrgenommen,
geschätzt und geachtetet werden.
Das Schöne ist, dass wir diese Sicherheit nachreifen lassen können, als Erwachsene,
wenn wir sie nicht haben genug ausbilden können, auf allen Ebenen.
Dafür ist Begleitung hilfreich.
Wir lernen dann als Erwachsene, was es heisst, wenn
unser Gegenüber mit uns in Kontakt bleibt - seelisch, geistig und körperlich -
wenn wir uns mitteilen.
Wir machen die Erfahrung, dass unser Gegenüber bei uns/das heisst bei sich bleibt,
Präsent, im Gefühl und im Geist, im Leib da bleibt. Er kann sich fühlen, und fühlt damit uns. Das ist dieses Mitfühlen. Sich selbst fühlen, damit das Gegenüber in sich selbst gefühlt werden kann.
Wir erleben, dass wir mit unseren bis anhin scheinbar unzumutbaren, unerträglichen oder nicht mitteilbaren Gedanken, Gefühlen, Bedürfnissen und Grenzen da sein dürfen.
Ohne dass unser Gegenüber überfordert ist, Teile von sich selbst abspaltet, hart wird, uns drängt, keine Zeit
hat, unsere Ängste klein redet, nervös wird, wütend, Angst hat vor unseren (seinen) Gefühlen, den Raum verlässt,
uns verlässt, uns ignoriert, angreift, bedroht, verurteilt, abwinkt, oder schweigt.
Unser Gegenüber bleibt. - Das kann eine tief transformierende Erfahrung sein.
Wir erfahren, dass Nähe und Kontakt keine Gefahr mehr bedeuten.
Sondern, dass ich sicher bin, wenn ich ich bin.
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Wir wollen gehalten - nicht geheilt werden
Our wounds don't want to be healed - they want to be held
Healing is not removing something we don't know how to be with - which only means more separation.
Healing is widening our ability to hold, so that we become able to include, welcome and integrate the painful parts.
Healing is the process of reunion.
Unsere Wunden wollen gehalten - nicht geheilt werden.
Wir wollen als Menschen ganz gehört - gesehen - anerkannt werden, nicht korrigiert werden.
Es sind die Würde, Ganzheit und Selbstwirksamkeit - die wir durch das Trauma verlieren -
und die gilt es wieder wachsen zu lassen, in gesunder, nährender Beziehung.
Die Würde, Ganzheit und Selbstwirksamkeit sind der Hintergrund und die Struktur des heilenden Prozesses.
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Unter der Linde
Das Herzwurzelsystem der Linde und ihre leere Mitte: Inspiration aus der Natur
Die Linde hat zwei schöne Besonderheiten.
Eines davon ist ihr Herzwurzelsystem. Meist bilden Bäume entweder tiefe Wurzeln aus, oder solche, die oberflächlicher liegen und dafür in die Weite gehen. Tiefwurzler oder Flachwurzler. Bei der Linde spricht man von einem Herzwurzelsystem. Sie kombiniert beides miteinander. Ihre Verwurzelung sowohl in die Tiefe wie auch in die Weite ermöglicht ihr eine noch stärkere Verankerung in der Erde, eine grössere Stabilität bei Stürmen, und eine bessere Nährstoff- und Wasseraufnahme aus tiefen wie auch oberflächennahen Bodenschichten.
Das zweite ist leere Mitte. Im höheren Alter treibt die Linde sogar innerhalb ihres Kerns neue Wurzeln aus. Oftmals ist der Kern hart - weil die Linde jedoch bis zu tausend Jahre alt werden kann, und die alten Zellen in ihrem Kern zerfallen, ermöglicht ihr der hohle Kern - die Leere in ihrer Mitte - von Innen heraus neu zu wachsen. Sie treibt aus ihren Ästen im Innern neue feinste Wurzeln aus - welche dann im Innern des Stammes in Richtung Erde wachsen und so auch im hohem Alter für eine stabile Verwurzelung sorgen.
Ist das nicht wahrhafte Verjüngung? Von Innen heraus Neu zu wachsen. Die Linde zeigt, wie sie Stabilität durch ihre innere Kraft gewinnt. Und mir gefällt das Bild eines Herzwurzelsystems und der Blick auf das Herz als Zentrum unserer Stabilität, aus dem Herzwurzeln wachsen, und in die Tiefe und Weite reichen. In alle Dimensionen hinaus - hinein - wachsen.
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Gesundheit als Hingabe
Natur, Kreativität und Gesundheit
Kreativität entsteht aus unserer Mitte. Wenn wir mehr und mehr in ein Gleichgewicht finden zwischen Handeln und Nicht Handeln, Denken und Nicht Denken.
Wenn wir ein Gespür entwickeln für das lebendige Mass - wie wir unsere entspannenden, abwartenden, innerlich unbewusst arbeitenden, gewährenden, empfangenden, offenen und ungerichteten Fähigkeiten mit unseren handelnden, ausführenden, ausgerichteten, entscheidungswilligen Aspekten ausbalancieren können. Wenn wir bildhaftes, grenzenloses, freies, intuitives Schaffen mit fokussiertem, selektivem und klar strukturiertem Arbeiten kombinieren können. Wenn wir Präzision und Ambivalenz anstreben.
Diese Ganzheit von beiden Qualitätsfeldern lässt Raum, dass die noch sehr zarten Ideensamen Wurzeln ausbilden können, geschützt vor zu früher Strukturierung, Licht und Urteil - und sie gibt Kraft und Stärke, zu rechter Zeit die gereiften Ideen in die Tat umzusetzen, sichtbar werden zu lassen. Jede Wachstumsphase hat ihre eigenen Qualitäten und Zeitphasen.
Diesem inneren Gleichgewicht von seinen eigenen sich ergänzenden Fähigkeiten nachzugehen und die Wachstumsprozesse des kreativen Sterben und Auflebens in sich nachzuspüren und nachzuvollziehen ist mir ein Ansporn - für ein gesundes Erleben:
Die Kreativität, unseren Lebensstrom, - unsere Natur - in uns immer intimer zu spüren, ist für mich ein Weg in eine ganzheitliche Gesundheit.
Bei all den äusseren Aufgaben und Herausforderungen ist es nicht immer einfach, unsere Natur, unsere innere Stimme wahrzunehmen, und einen eigenen Ausdruck - unsere eigenen Antworten - auf das Leben zu finden.
Das frische, spontane und inspirierte, von alten Gewohnheiten befreite Handeln ist unsere ureigenste und gleichzeitig am engsten mit der Welt verbundene Gestaltung, weil sie auf den Moment eingeht, und aus ihm heraus erwächst.
Verantwortung kommt von antworten. Hinhören, und dann antworten. Leben als Antwort geben, als Verantworten. Wir verankern uns mit unseren eigenen Antworten, verweben uns mit unserer Ant-Wort, unserem Wort in die Welt hinein. Werden tätig, auf unsere eigene Art und Weise.
Es ist, als hätte sich ein Grossteil der Menschen und die Natur in zwei separate Flüsse verzweigt - sie gleiten nebeneinander durch die Landschaft - und haben vergessen, dass sie aus derselben Quelle stammen. Der eine Fluss liegt eingebettet im Kanal - der andere Fluss schwelgt frei mäandrierend und Raum einnehmend. Am Ende wartet das Meer und verschlingt beide wieder.
Gesundheit ist für mich - immer mehr unserer inneren Natur zuzuhören.
Gesundheit ist die Fähigkeit, Zuzuhören. Hierin öffnet sich Intimität, eine Verbundenheit mit dem Leben.
Sich selbst zuzuhören - Unserer Natur, die weiss, wann etwas Altes sterben und gehen muss, damit sie etwas Neuem, noch nie Dagewesenem Platz machen kann. Gesundheit ist Sterben und Leben können.
Gesundheit ist Sterben und Leben.
Die Weisheit - Beides zu kennen.
Leben im Sterben und Sterben im Leben - hierin liegt Intimität, wenn wir beides ineinander verwoben erleben.
Gesundheit ist das Gleichgewicht von Sterben und Leben - und das Gleichgewicht ist mehr als das Sterben und Leben selbst - es ist auch das Sterben innerhalb des Lebens und das Leben innerhalb des Sterbens. Die zwei ineinanderverwobenen Prozesse tragen und fördern sich gegenseitig. Leben und Sterben sind eine Art Rad - als wären sie zwei sich gegenseitig und das Rad tragende Aspekte - wie die Speichen, die die Flüssigkeit und Form des Kreises stabilisieren und garantieren. Das Rad des Grossen Lebens antreiben.
Das Sterben bietet sich dem Leben an und das Leben bietet sich dem Sterben an.
Gesundheit ist Hingabe. Sich dem Sterben und Leben als offene Hand anbieten.
Sich selbst dem Anderen als offene Hand anbieten. Als Speichen innerhalb desselben Rades.
Gesundheit ist eine offene Hand.
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Gesundheit als innere Erfahrung
Gesundheit ist für mich eine individuelle Erfahrung, ein inneres Erleben. Jeder Mensch hat seine eigene Auffassung von Gesundheit - und das macht für mich gerade die Gesundheit aus:
Jedes Individuum trägt die Entscheidungshoheit über sich selbst, sein Denken und Wollen.
Was uns gesund macht und unsere Gesundheit ausmacht, ist unsere Macht, über uns selbst zu entscheiden und zu urteilen, was wir als Gesundheit für uns anerkennen.
Jeder Mensch hat seine eigene persönliche Wegleitung. Das ist unser eigenes Denken und Wollen. Was denke ich darüber, und was will ich für mich?
Für mich ist das eigene Denken und eigene Wollen zu entwickeln der Weg der Gesundheit.
Zur inneren Erfahrung zu finden, zur in uns wohnenden Weisheit, die unseren Weg weist. Es ist eben gerade auch diese Selbstverantwortung, unser Denken und Wollen kennen zu lernen und zu entwickeln, die Teil der Gesundheit ist. Uns kennen zu lernen, ist sowohl genesend wie auch die Gesundheit selbst. Weg und Ziel in einem. Alle Fragen und alles Suchen nach der Gesundheit sind daher individuell: Weil Gesundheit gerade dies ist, was sie zu ihr weist: unsere Eigenständigkeit.
Je mehr ich mich als Individuum erfahre, desto mehr nehme ich mich auch als Ganzes wahr - als Ungeteiltes.
Ich handle dann immer mehr aus tiefstem eigenen Willen, geführt durch unser erinnertes Denken.
Gesundheit ist Ich-Sein. Sich von sich führen lassen,
als wären wir die Strahlen einer Sonne, die alle in eine eigene Richtung sich verteilen und wie das Licht sich überall hinaus verstreuen wollen.
Um dann aus der Unendlichkeit wieder auf den Kern zurück zu schauen,
in die Mitte zu blicken, in unser Herz.
Das Individuelle wird dann auch wieder das Verbindende sein.
Wo sich die Gesundheit wieder in der Mitte trifft. Und das Kollektive und Individuelle wieder zusammenkommt.
Der Weg ist gerade das zutiefst würdige Wesen des eigenständigen Menschseins in Erfahrung zu bringen.
Gesundheit ist für mich...
Eine seelisch geistig körperliche Grundstabilität
im Einklang,
in welchem der Körper entspannt ist,
der Geist klar,
und die Seele frei
Ein Klang.
© Anja Müller 2025